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St. Nikolaus-Kirche

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Triumph und Tod des Bürgermeisters

Wie die Nikolauskirche 1623 zu einem neuen Hochaltar kam

Die Errichtung der Nikolauskirche geht bekanntlich auf die Stiftsherren von St. Aposteln in Köln zurück, die Wipperfürth um 1205 wieder verließen. Nachdem das Gotteshaus zur Pfarrkirche erhoben worden war, sorgte Erzbischof Konrad von Hochstaden 1254 für eine Regelung, die den Interessen des Stifts entgegenkam; es erhielt einen Teil der Einkünfte und bestimmte den Pfarrer. Ab 1256 musste dieser ein Kanoniker des Stifts sein. Im Wesentlichen hatte diese Regelung bis zur Auflösung des Apostelnstifts im Jahr 1802 Bestand.

Wollte eine Familie also ihren Sohn als Pfarrer von Wipperfürth sehen, musste sie dafür sorgen, dass er Kanoniker von St. Aposteln wurde, und das war nur über eine Stiftung an das Stift zu erreichen. Wenn der Sohn sich als Stiftsherr bewährte, hatte er eine Chance, den begehrten Posten zu bekommen.

Von Johann Hag(e)dorn, der mehrfach Wipperfürther Bürgermeister und Richter war, wissen wir, dass er seinen gleichnamigen Sohn für das Amt des hiesigen Pfarrers vorgesehen hatte. Nachweislich war dieser Kanoniker an St. Aposteln, bevor er 1621 zum provisorischen Verwalter der Pfarre berufen wurde. Am 14. Juli 1623 wurde er offiziell als Pfarrer an St. Nikolaus eingeführt.

Für seinen Vater war das offenbar ein Triumph, den die Wipperfürther niemals vergessen sollten. Einen weiteren Triumph sah er vielleicht auch darin, dass im Jahr zuvor die lutherische Gemeinde aufgelöst worden war, gegen deren Interessen er schon 1609 vehement aufgetreten war. Er sorgte also dafür, dass die Nikolauskirche einen neuen Hochaltar bekam; dieser ist seit dem späten 19. Jahrhundert an der Innenwand des südlichen Seitenschiffs angebracht.

Eine lateinische Inschrift klärt darüber auf, dass dieses „heilige Werk“ zu Ehren Gottes errichtet sei, finanziert zum Teil aus Mitteln der Pfarrgemeinde und zum Teil durch eine Stiftung des Kölner Ehepaars Antonius Freyaldenhoven und Adelheid Kirchhoff, „auf Anregung des Richters Johann Hagdorn, unter dem Pastor Johann Hagdorn und den Kirchmeistern Johannes Bitter und Adolph Linden“. Antonius Freyaldenhovens Verdienste wurden dadurch gewürdigt, dass ein Relief des Altars seinen Namenspatron, den Eremiten Antonius, darstellt. Johann Hag(e)dorn, der nur die Anregung, aber kein Geld gegeben hatte, ehrte man in gleicher Weise: Johannes der Täufer ist auch dargestellt.

Viel gehabt hat Johann Hag(e)dorn nicht von seinem Triumph; er starb drei Tage nach der Amtseinführung des Sohnes.

Unruhige Zeiten in Wipperfürth

Vom Anfang und Ende der ersten evangelischen Gemeinde

Mit Herzog Johann Wilhelms Tod im Jahr 1609 starb das klevische Herrscherhaus aus; zwei mit ihm verschwägerte Fürsten, der Pfalzgraf von Neuburg und der Kurfürst von Brandenburg, übernahmen zunächst gemeinsam die Herrschaft. Beide waren Lutheraner und beide garantierten Protestanten und Katholiken die ungehinderte Religionsausübung.

Die Wortführer der Wipperfürther Lutheraner, allesamt Ratsherren und mit katholischen Frauen der Oberschicht verheiratet, fühlten sich jetzt ermutigt, die Gemeindegründung zu veranlassen und nach einem eigenen Gotteshaus Ausschau zu halten. Ihre Wahl fiel auf die kaum genutzte Petruskapelle im Untergeschoss des Rathauses, das wenige Jahre zuvor durch den Ausbau der ehemaligen Petrikirche entstanden war (Standort des heutigen „Hanse-Cafés“). Gegen diesen Plan leisteten die katholische Ratsherren Johann Hag(e)dorn, Johann Weyerstraß, Melchior Langenberg und Adolf Linden erbitterten Widerstand – ob religiöse Gründe oder Spannungen innerhalb des Rates bzw. der Verwandtschaft ausschlaggebend waren, lässt sich nicht rekonstruieren. Von Melchior Langenberg ist bekannt, dass er mit einer Lutheranerin verheiratet war und dass seine Schwester einen der Wortführer der Wipperfürther Protestanten zum Mann hatte. 1610 erhielten die Lutheraner die Erlaubnis, ihren Gottesdienst zwar nicht in der Petruskapelle, aber in der im Obergeschoss des Gebäudes liegenden Ratsstube abzuhalten.

Schon 1614 entzweiten sich die regierenden Fürsten und es begann der „Jülich-Klevische Erbfolgestreit“, der den Dreißigjährigen Krieg um mehrere Jahre überdauerte. Fatalerweise suchten die Kontrahenten die Nähe der Kriegsparteien, die schon seit 1570 ihren Zwist immer wieder im Territorium von Jülich-Berg austrugen; dies waren die niederländischen Generalstaaten und die habsburgisch regierten Spanier. Der Pfalzgraf von Neuburg verbündete sich mit den Spaniern und wurde deshalb katholisch, während der Kurfürst von Brandenburg sich den Holländern anschloss und zum reformierten Bekenntnis übertrat.

Holländer und Spanier einigten sich – natürlich über die Köpfe der Betroffenen hinweg ?, dass die Partei, die einen Ort als erste besetzt hatte, dort ihr jährliches Winterquartier nehmen konnte. Das waren in Wipperfürth die Spanier. Wieder wurde das Rathaus zum Schauplatz: Die einfachen Soldaten logierten im städtischen Lagerraum neben der Petruskapelle. Für die Verköstigung war die Stadt zuständig.

Als die spanischen Truppen nach jahrelangem Waffenstillstand 1622 zwei wichtige Siege erlangt hatten, beendeten sie überall dort, wo sie Winterquartier hielten, die freie Religionsausübung und vertrieben den protestantischen Prediger, so auch in Wipperfürth. Im 19. Jahrhundert hat man dieses Ereignis in verschiedenen Publikationen zur „Bluthochzeit“ stilisiert, einer mit Mord und Totschlag verbundenen Vertreibung der Lutheraner durch ihre katholischen Mitbürger. Dagegen spricht, dass Wipperfürth bereits im nächsten Jahr wieder einen protestantischen Bürgermeister hatte. Trotzdem waren die Konsequenzen tiefgreifend; da im Westfälischen Frieden von 1648 festgelegt wurde, dass überall dort wieder eine evangelische Gemeinde gegründet werden durfte, wo sie 1624 bestanden hatte, blieben die entsprechenden Bemühungen der Wipperfürther Protestanten bis 1788 vergeblich.

Wipperfürther und die Hanse

Als Wipperfürther Kaufleute Mitbesitzer der englischen Königskrone waren …

Der Handelsplatz Wipperfürth war nicht nur das Ziel auswärtiger Kaufleute, sondern brachte auch eigene Kräfte hervor. Einige dieser Männer waren so ambitioniert, dass es sie nicht in der Heimat hielt. So sind im 14. Jahrhundert aus Wipperfürth stammende Kaufleute in praktisch allen Handelszentren des Ost- und Nordseeraumes anzutreffen. Dort taten sie sich mit anderen Kaufleuten aus unserer Gegend zusammen, um sich gegenseitig zu schützen und ihre gemeinsamen Interessen zu vertreten; eine solche Gruppe bezeichnete man als „Hanse“ ? wie auch den Städtebund, der sich aus diesen Solidargemeinschaften entwickelte.

Der ältese erhaltene Brief des Wipperfürther Stadtrates wird im Archiv der Stadt Tallin (Reval) aufbewahrt; am 30. Mai 1387 autorisiert der Rat einen Kaufmann, bei seiner nächsten Reise das Erbe eines in Dorpat verstorbenen Kollegen einzuholen, um es den Wipperfürther Erben zu überbringen.

Am spektakulärsten ist der Fall der Brüder von dem Walde (de Wolde) aus Wipperfürth, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts im Wollhandel zwischen England und Flandern aktiv waren. Sie gehörten in London zu einer „Hanse“ von Kaufleuten aus Dortmund und Attendorn, die sich auch im Kreditwesen betätigten. Ihr Hauptschuldner war der englische König Edward III., für den sie 1343 seine Königskrone auslösten, die er einem deutschen Bischof verpfändet hatte. Bis der König seine Schulden bei ihnen beglich, waren also Wipperfürther Hansekaufleute Mitbesitzer der englischen Königskrone.

Wenn in Wipperfürth überhaupt etwas an diese Zeit erinnert, kann es nur die „Turmmadonna“ in der katholischen Pfarrkirche sein, die bis etwa 1700 einen eigenen Altar im südlichen Nebenchörchen hatte. Häufig bedachten Hansekaufleute, die fern der Heimat ihr Ende nahen fühlten, in ihrem Testament die Kirche, in der sie getauft worden waren. Solche Stiftungen könnten auch die Pfarrgemeinde von St. Nikolaus in die Lage versetzt haben, um 1400 diese wertvolle Kölner Arbeit zu erwerben.

Im Bündnis der Hansestädte spielte Wipperfürth nur eine Nebenrolle – so wie auch Ratingen, Düsseldorf, Solingen und Lennep. Das mächtige Köln betonte ihre Zugehörigkeit zum Hansebund immer nur dann, wenn es damit in einer Streitsache Unterstützer für den eigenen Standpunkt vorzeigen konnte, so 1469 beim „Schossstreit“ mit dem Hansekontor in Brügge: Der Wipperfürther Rat beurkundet, dass er voll und ganz mit der Meinung der Kölner übereinstimmt; in Brügge soll man davon nicht allzu beeindruckt gewesen sein…

Heute gehört Wipperfürth dem Westfälischen Hansebund der Neuzeit an und ist im Jubiläumsjahr Ausrichter des 34. Westfälischen Hansetags.

St. Nikolaus-Kirche

Von der Stiftskirche zur Pfarrkirche

Ansicht Pfarrkirche um 1870

Im Jahr 1143 gründeten die Stiftsherren von St. Aposteln zu Köln in Wipperfürth ein Filialstift und begannen mit dem Bau der Nikolauskirche. Ihre Lage am äußersten Rand des damals besiedelbaren Gebietes ist typisch für die Situation einer Stiftskirche in einer kleinen Stadt. Ob das Apostelstift in Wipperfürth die Aufgabe der Pastorisierung übernehmen wollte oder nur deshalb Präsenz zeigte, weil ihm viele Bauern der Umgebung abgabepflichtig waren, wissen wir nicht, wohl aber, dass das Stift im Ort einen „Stadelhof“ besaß, auf dem die Abgaben zu entrichten waren.

1198 entbrannte der Thronstreit zwischen den Kandidaten aus dem Geschlecht der Staufer und dem der Welfen. Er führte um 1205 zu Überfällen des vom Papst abgesetzten Kölner Erzbischofs Adolf von Altena, seines Vetters Engelbert von Berg und dessen Bruders Adolf auf die Besitzungen der Kölner Stifte, die auf der Gegenseite standen. Deshalb verließen die Stiftsherren Wipperfürth und zogen sich hinter die sicheren Mauern von Köln zurück.

In den folgenden Jahrzehnten wurde die Stiftskirche zur Pfarrkirche. Erzbischof Konrad von Hochstaden verband sie aber 1254 eng mit dem Apostelstift, das bis zu seiner Auflösung 1802 einen Teil der Einnahmen erhielt und den Pfarrer stellte. Da zu einer Pfarrkirche das Taufrecht gehörte, ist es wohl kaum ein Zufall, dass das Wipperfürther Taufbecken nach neuesten Erkenntnissen aus den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts stammt.

Auch das Begräbnisrecht stand der Pfarrei zu. Das Grabmal des Bürgermeister Hagedorn von 1623 und einige wenige erhaltene Gruftdeckel künden noch davon, dass die vornehmen Familien einstmals ihre Grablegen im Kircheninnern hatten. Die Überbelegung des kleinen Kirchhofs hatte schlimme Hygieneprobleme zur Folge, die 1813 zur Anlage eines neuen Friedhofs an der heute so genannten Lüdenscheider Straße führten. Der alte evangelische Friedhof wurde um 1790 schon außerhalb der Stadtmauern angelegt. Vom Friedhof um die Nikolauskirche haben sich keine Grabsteine erhalten, dagegen gibt es vom 1873 aufgegebenen alten Friedhof in Wipperfeld eine beeindruckende Sammlung historischer Steine.

St. Nikolaus-Kirche

2011

Die St. Nikolaus-Kirche wurde im 12. Jahrhundert von den Stiftsherren des St. Aposteln-Stifts zu Köln erbaut, die 1143 in Wipperfürth ein Filialstift einrichteten. Auch ihr Standort unmittelbar am Rand des damals besiedelbaren Gebietes weist sie als Stiftskirche aus. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Wipperfürths erste Pfarrkirche die Petruskirche am Marktplatz war und dass die Pastorisierung ursprünglich dem Kölner Domstift oblag. Wann die Stiftsherren von St. Aposteln, die in Wipperfürth zwei Mühlen, Zoll- und Fischereirechte und ein Grundstück am Markt besaßen, diese Aufgabe übernahmen, ist nicht bekannt. Sicher ist, dass sie um 1205 Wipperfürth verließen und sich hinter die sicheren Mauern von Köln zurückzogen, weil sie während des Thronstreits zwischen dem Staufer Philipp von Schwaben und dem Welfen Otto von Braunschweig durch die staufische Partei − d. h. durch Adolf von Altena, den vom Papst gebannten Kölner Erzbischof, seinen Vetter Engelbert von Berg, den ebenfalls gebannten Dompropst, und dessen Bruder Graf Adolf von Berg ─ schwer bedrängt wurden. 1254 verfügte Erzbischof Konrad von Hochstaden, dass die Nikolaus-Kirche als Pfarrkirche dem Aposteln-Stift inkorporiert und damit abgabenpflichtig sein solle und dass das Stift den Pfarrer zu stellen habe. Diese Regelung hatte Bestand bis zur Auflösung des Aposteln-Stifts im Jahr 1803.

Es handelt sich bei diesem Kirchenbau um eine romanische Pfeilerbasilika mit Westturm und zwei Chorflankentürmchen, die ursprünglich rund und viel höher als heute waren. Kunsthistoriker vertreten die Auffassung, dass die auf der Ploennies-Zeichnung von 1715 dargestellte Bekrönung des Hauptturms mit Giebeln und schmalen Ecktürmchen erst im ersten Viertel des 13. Jahrhunderts entstanden ist; in dieser Zeit soll auch das Mittelschiff neu eingewölbt worden sein. Aus gotischer Zeit stammen die Nebenchörchen, die sich zum Hauptchor hin in einem Spitzbogen öffnen und seitlich bis ins späte 19. Jahrhundert ein zweiteiliges frühgotisches Fenster besaßen. Um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurde unmittelbar neben der Kirche die Stadtbefestigung hochgezogen, so dass die Wipperfürther lange Zeit durch die Fenster des nördlichen Seitenschiffes auf eine Mauer blickten.

Trotz seiner Randlage wurde das Gotteshaus mehrfach bei Stadtbränden beschädigt. Das Großfeuer vom 3. September 1795 zerstörte sämtliche Dächer; der obere Teil des Hauptturms und die Chorflankentürmchen mussten abgebrochen werden. Über Jahrzehnte verblieb die Kirche in einem provisorischen Zustand, bis sie ab 1870 gründlich restauriert wurde. Dabei wurden die Gewölbe erneuert, ebenso die Seitenschiffe, die man nach Westen bis zur Turmfront verlängerte und mit größeren Fenstern versah. Die Nebenchörchen erhielten statt des gotischen Fensters ein dreiteiliges Rundbogenfenster. Der Westturm wurde wegen der maroden Bausubstanz etwa zur Hälfte abgebrochen und neu hochgemauert; dabei fügte man Lisenen und Rundbogenfriese hinzu, wodurch die ursprünglichen Proportionen nachteilig verändert wurden. Die nach der Ploennies-Zeichnung von 1715 rekonstruierte Turmbekrönung hat man 1936/37 wieder entfernt.

Die bedeutendsten Ausstattungsstücke der Kirche sind die gotische „Turm-Madonna“, die früher auf einem Altar im nördlichen Seitenchörchen ihren Platz hatte, der Hochaltaraufsatz und das Hagedorn-Epitaph von 1623 (heute am Westende der Seitenschiffe) sowie das spätmittelalterliche Taufbecken. Über Jahrhunderte hat man in der Kirche und in ihrer unmittelbaren Umgebung die Toten begraben. 1813 wurde der neue – inzwischen auch schon alte – Friedhof an der Lüdenscheider Straße angelegt.

 

Ploennies 1718
um 1870
um 1875
um 1900
um 1910

Quelle: Heimat- und Geschichtsverein Wipperfürth, Erich Kahl


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